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Ist ein Steigerungserlös mit den anderen Miterben in einem bestimmten Verhältnis zu teilen und deshalb an den Nachlass zurückzugeben?

Eine Erbin meint, Alleinerbin zu sein (sog. Scheinalleinerbin), obwohl Sie Miterbin ist, und verfügt über Erbschaftsgegenstände: Sie lässt Nachlassgegenstände öffentlich versteigern. Ist der Steigerungserlös mit den anderen Miterben in einem bestimmten Verhältnis zu teilen und deshalb an den Nachlass zurückzugeben?  

Erblasserin E verstarb am 27. Januar 2001 im Kanton Genf. Sie hinterliess mehrere Testamente und vier Kinder als Erben, nämlich A, G, H und I. E verfügte, dass Ihre Kinder zu gleichen Teilen erben, und richtete verschiedene Vermächtnisse aus, u.a. eines an die Stiftung M im Betrag von CHF 350’000.–. Gemäss Inventar verfügte der Nachlass über Aktiven von CHF 914’723, Passiven von CHF 307’028.20, also über ein Nettoerbschaftsvermögen von CHF 607’694.80. Die Erbschaftssteuer betrug CHF 777’200.35. Aufgrund der Steuerlast und der vorrangigen Zuteilung des Vermächtnisses an eine Stiftung schlugen drei von vier Kindern die Erbschaft aus, nämlich I für sich und den Sohn, G und H nur für sich selbst.

Steigerungserlös

A hatte die Erbschaft unter öffentlichem Inventar angenommen. Sie wurde im Erbschein (fälschlicherweise) als Alleinerbin ausgewiesen. Im Juni 2007 veranstaltete A zwei öffentliche Versteigerungen der Vermögenswerte des Nachlasses in London, wobei ein Nettoergebnis von GBP 1’274’170 erzielt wurde.

Nach der Versteigerung machten gegenüber der Tante A die Kinder von G, nämlich BZ, KZ, CZ und LZ, sowie DY, die Tochter von H, ihre Rechte am Nachlass geltend, da sie selbst den Nachlass nicht ausgeschlagen haben. Die Neffen und Nichten erhoben eine Rechnungslegungsklage gegen ihre Tante A, um Informationen über die Ergebnisse der beiden Versteigerungen und über den Nachlass zu erhalten. Ferner erhoben BZ, CZ und DY eine Teilungsklage beim Gericht. KZ und LZ liessen ihre Ansprüche fallen.

Streitig ist, ob der Steigerungserlös zurückzugeben ist

Gestritten wurde u.a. darüber, ob der Versteigerungserlös an den Nachlass zurückzugeben sei oder nicht. A hat als Scheinalleinerbin, obwohl sie Miterbin ist, durch Veräussern von Nachlassgegenständen einen Steigerungserlös erzielt. Es stellt sich die Frage, ob der Erlös auch den Erben BZ, CZ und DY zukommt.

Erbengemeinschaft, Gesamteigentümer der Erbschaftsgegenstände, gemeinsames Verfügen über die Rechte der Erbschaft

Das Bundesgericht hielt fest, dass die Erben eine Erbengemeinschaft bilden, die mit der Teilung endet. Die Verwaltung des Nachlassvermögens erfolge gemeinschaftlich. Sämtliche Entscheidungen seien – ausser bei Dringlichkeit – einstimmig zu treffen. Handle ein Erbe allein und verfüge über Nachlassgegenstände, seien die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag anwendbar. Auf den gutgläubigen Geschäftsführer seien die Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung anzuwenden (vgl. BGer 5A_512/2019 E. 4.1.2.2, Urteil vom 28. Oktober 2019).

A sei als Scheinalleinerbin gutgläubig, da sie gemäss Erbschein als Alleinerbin galt und sich als alleinige Eigentümerin des Nachlassvermögens betrachtete (vgl. BGer 5A_512/2019 E. 4.1.3, Urteil vom 28. Oktober 2019).

A machte geltend, dass sie Ansprüche der Neffen und Nichten verjährt seien (vgl. BGer 5A_512/2019 E. 5, Urteil vom 28. Oktober 2019). Das Bundesgericht entschied, dass die Verjährung durch Klageanhebung unterbrochen wurde, indem am 6. Januar 2010 eine Teilungsklage eingereicht worden sei und die Rückgabe der Beträge aus den getätigten Verkäufen in die aufzuteilende Masse einzubeziehen und unter den Erben aufzuteilen sei.

Teilung des Erlöses

Der Erlös aus einer Versteigerung von Erbschaftsgegenständen fällt in den Nachlass, kommt allen Miterben zugute und ist im Rahmen der Erteilung unter den Miterben zu teilen. Gemäss Bundesgericht beruht der Anspruch auf ungerechtfertigter Bereicherung. In der Lehre wird argumentiert, dass der Steigerungserlös aufgrund der dinglichen Surrogation in den Nachlass falle (vgl. Bettina Hürlimann-Kaup/Alexandra Jungo, Verfügung der Scheinalleinerbin über Erbschaftsgegenstände: Surrogation oder Rückerstattungsforderung der Miterben? Successio 2/21, S. 164 ff.).

Das flüssige Vermögen von CHF 1’061’462 war unter den Erben aufzuteilen, nämlich CHF 353’821 je für A und DY (je ein Drittel) sowie CHF 176’910 für BZ und CZ (je ein Sechstel).

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