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Keine Delegation

Der Erblasser, geb. 1957, 1990 als Erwachsener von Deutschen adoptiert, vermachte 1991 in einer öffentlich beurkundeten letztwilligen Verfügung sein Vermögen seinen leiblichen, polnischen Eltern. Zusätzlich verfasste er 1998 ein Testament, wonach AA oder PA berechtigt seien, seine Ersparnisse sowie Vermögen in der Schweiz und Deutschland den Zwecken ihrer Meinung zu bestimmen und Unkosten grosszügig für sich zu nehmen.

Der kinderlose Erblasser verunglückte 2002 tödlich. Er hinterliess seine leiblichen Eltern sowie seine Adoptiveltern.

2015 eröffnete das Bezirksgericht Y die beiden letztwilligen Verfügungen.

AA erhob 2019 eine Vermächtnisklage gegen die Nachkommen der leiblichen Eltern des Erblassers, damit diese ihm das Vermächtnis (Ersparnisse sowie Vermögen in der Schweiz und Deutschland) bezahlen, mindestens CHF 418’173.70.

Strittig ist, ob der Erblasser AA ein Vermächtnis zugewendet hat.

Auslegung

Ein Testament ist eine einseitige Willenserklärung. Der wirkliche Wille ist ausgehend vom Wortlaut zu ermitteln.

Der Erblasser habe – ohne Begünstigte zu bezeichnen – seine Nachlasswerte nicht A vermachen wollen, sondern nur die Rolle, als Willensvollstrecker Zwecke bzw. Empfänger zu bestimmen.

Ungeschriebender Grundsatz der Höchstpersönlichkeit

Die Regelung der Erbfolge ist absolut höchstpersönlicher Natur: Es ist stellvertretungsfeindlich (formell). Der Erblasser hat den Inhalt des Testaments selbst festzulegen (materiell). Er kann dies nicht (an den Willensvollstrecker) delegieren, auch nicht um Bedachte zu bestimmen.

Gemäss neuerer Lehre kann ein Dritter nach objektiven und sachlichen Kriterien entscheiden, wenn die konkreten Ziele des Erblasers bekannt sind.

Vorliegend sind weder der Verwendungszweck noch die Zuwendungsempfänger bekannt. Was der Erblasser erreichen wollte, ist unklar. Der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit ist verletzt. Folglich die die Verfügung nichtig (vgl. Urteil des Bundesgerichts 5A_1034/2021 vom 19. August 2022, E. 5.3.2).

Konversion, favor testamenti

Es ist zu prüfen, ob eine ungültige letztwillige Verfügung in eine gültige Verfügung konvertiert werden kann. Der Grundsatz des favor testamenti besagt, dass bei zwei möglichen Deutungen diejenige zu wählen ist, welche die Aufrechterhaltung des erblasserischen Willens ermöglicht.

Von einer Konversion der letztwilligen Verfügung in eine Stiftung ist abzusehen, da weder der Zweck noch die potenziellen Empfänger bekannt sind (E. 6.2.1).

Auch eine Konversion in ein Vermächtnis mit Auflage scheitert, da der Erblasser weder den Zweck noch die Begünstigten festgelegt hat (E. 6.2.2.2).

Fazit

Das Testament aus dem Jahr 1998 ist zu unbestimmt. Die Klage wurde abgewiesen.

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