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Kindesanerkennung oder reine Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung?

Anerkennung eines Kindes posthum durch letztwillige Verfügung

Zahlväter können ihr Kind posthum durch letztwillige Verfügung anerkennen.

vor dem 1. Januar 1978 ausserehelich geborene Kinder

Kinder, die vor dem 1. Januar 1978 ausserehelich geboren wurden, hatten i.d.R. keinen rechtlichen Vater, sondern eine altrechtliche Zahlvaterschaft. Zahlväter haben ihre Pflicht zu Unterhaltsleistungen an Mutter und Kind anerkannt, die Vaterschaft hingegen nicht.

Ungenügende Bezeichnung als “gesetzliche Erben” oder “Nachkommen”

Ungenügend ist eine Bezeichnung der biologischen Kinder als “gesetzliche Erben” oder “Nachkommen”.

Zwei Monate vor dem Tod hielt ein Zahlvater in seinem Testament im Jahr 2019 fest, dass er voraussichtlich als gesetzliche Erben seine Nachkommen (unter Angabe des Namens, des Geburtsdatums, und der Adresse) hinterlasse. Diese seien zu einem Viertel erbberechtigt.

Gemäss Zivilstandsregister existiert kein Kindesverhältnis, da der Erblasser weder als «Vater» noch die Nachkommen als «Kinder» eingetragen ist.

Anerkennung möglich, wenn Kindesverhältnis nur zur Mutter besteht

Besteht das Kindesverhältnis nur zur Mutter, so kann der Vater das Kind anerkennen (Art. 260 Abs. 1 ZGB). Die Anerkennung erfolgt durch Erklärung vor dem Zivilstandsbeamten oder durch letztwillige Verfügung oder … vor dem Gericht (Art. 260 Abs. 3 ZGB).

Reine Erbeneinsetzung

Fehlt es an einer ausdrücklichen Willenserklärung, handelt es sich um eine reine Erbeinsetzung.

Im vorliegenden Fall enthält das Testament eine wirksame Einsetzung der drei Kinder als Erben für je einen Viertel des Nachlasses. Dennoch ist ein eindeutiger Anerkennungswille nicht erkennbar. Rechtsprechung und Lehre fordern eine deutliche, klare und eindeutige Willensäusserung des Anerkennenden. Der Erblasser hat in seinem Testament vom 8. Mai 2019 nicht unmissverständlich erklärt, er anerkenne diese Personen als seine Kinder (vgl. Urteil des Bundesgerichts 5A_631/2021 vom 20. Juni 2022, E. 3.3 f.).

Zahlvaterschaft

Die Zahlvaterschaft begründet kein rechtliches Kindesverhältnis, weshalb den betroffenen Zahlkindern nach Art. 457 Abs. 1 ZGB kein gesetzliches Erbrecht zusteht.

Steuer

Der biologische Vater (Erblasser) kann seine Zahlkinder nach Art. 483 ZGB mittels einer Verfügung von Todes wegen als Erben für einen Bruchteil der Erbschaft einsetzen. Bei der kantonalen Erbschaftssteuer werden diese Zahlkinder gegenüber rechtlichen Kindern oft benachteiligt. Eine mögliche Diskriminierung wäre vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg zu klären.

Lassen Sie sich beim Verfassen von Testamenten beraten. U.a. sind Formulierungen entscheidend.

 

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